Auf der Suche nach Balance: Die Konsistenztheorie nach Grawe
In einer Welt, die sich schneller dreht als je zuvor, stellt sich die Frage:
Wie schaffen wir es, inmitten des ständigen Wandels unsere innere Balance zu halten?
Hier kommt die Konsistenztheorie von Klaus Grawe ins Spiel, die nicht nur wissenschaftlich fundiert ist, sondern auch auf unser tägliches Leben und den ständigen Wandel anwendbar ist. Die Konsistenztheorie fokussiert sich auf die Erforschung der grundlegenden psychologischen Bedürfnisse des Menschen und deren Rolle bei der Aufrechterhaltung mentaler Stabilität. Klaus Grawe formulierte in seinen Forschungen vier grundlegende Bedürfnisse, die auf empirischer Ebene äußerst gut bestätigt wurden. Diese umfassen das Bedürfnis nach Lust und Unlustvermeidung, Bindung, Orientierung und Kontrolle sowie das Bedürfnis nach Selbstwerterhöhung und Selbstwertschutz.
Mal ehrlich, wer kennt das nicht?
Der Alltag fühlt sich dynamisch an, jeden Tag wird man vor neue Herausforderungen gestellt, und man fragt sich, wie man da mithalten soll. Die Konsistenztheorie gibt uns Denkanstöße: Wie können wir in diesem Chaos unsere Orientierung finden? Wie fördern wir unsere Selbstwerterhöhung, wenn alles um uns herum Kopf steht? Und wie beeinflusst die ständige Veränderung unsere Sehnsucht nach sozialer Anerkennung?
Die Autoren der Theorie stützten ihre Annahmen auf eine Fülle von Forschungen und psychologischen Studien. Insbesondere die Arbeiten von Carl Rogers und Abraham Maslow dienten als Grundlage, um das Verständnis der menschlichen Bedürfnisse zu vertiefen. Grawe selbst erweiterte diese Perspektive, indem er den Fokus auf die psychische Gesundheit und den Prozess der Konsistenzregulation legte. Das Streben nach Konsistenz bezieht sich auf den Wunsch nach innerer Kohärenz und Gleichgewicht in Bezug auf diese Grundbedürfnisse. Die Konsistenztheorie postuliert, dass psychische Gesundheit durch die erfolgreiche Erfüllung dieser Grundbedürfnisse erreicht wird und dass Menschen bestrebt sind, inkonsistente Zustände zu minimieren.
Die vier psychologischen Grundbedürfnisse
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Das Bedürfnis nach Lust und Unlustvemeidung bezieht sich auf den menschlichen Wunsch nach positiven und angenehmen Erfahrungen sowie dem Vermeiden von negativen und unangenehmen Situationen. Wir suchen nach Freude in den kleinen und großen Momenten des Lebens, sei es in einem Lächeln, einem gelungenen Projekt oder einfach dem Genuss eines köstlichen Mahls. Doch auf diesem Weg lauert auch die Unlust, die uns vor den Toren des Ärgers und der Unannehmlichkeiten warnt. Ein Beispiel aus der Praxis könnte das Streben nach beruflicher Erfüllung sein, was uns Freude bereitet, während bürokratische Hürden und Herausforderungen Unlust auslösen können.
Begleitende Emotionen: Freude, Glück, Zufriedenheit bei Erfüllung des Bedürfnisses nach Lust; Unzufriedenheit, Frustration, Ärger bei Unlust.
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In der Verbindung zwischen Menschen liegt die Essenz unseres Bedürfnisses nach Bindung. Wir sehnen uns nach tiefen, bedeutungsvollen Verbindungen, sei es mit Freunden, Familie oder romantischen Partnern. Ein praktisches Beispiel könnte die Unterstützung und Verbundenheit in einem starken Team oder einer vertrauensvollen Partnerschaft sein. Im Gegensatz dazu kann soziale Isolation oder der Verlust enger Beziehungen zu Unwohlsein führen.
Begleitende Emotionen: Liebe, Geborgenheit, Freude bei erfülltem Bindungsbedürfnis; Einsamkeit, Trauer, Verlustgefühle bei unerfülltem Bindungsbedürfnis.
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In der Dynamik des Lebens suchen wir nach einem festen Ankerpunkt, nach Orientierung. Das Bedürfnis nach Kontrolle ist der Wunsch, unser Schicksal selbst in die Hand zu nehmen, unseren Weg zu gestalten. Ein Beispiel könnte die berufliche Zielsetzung sein, bei der die Orientierung die klare Vision der Karriereziele ist, während die Kontrolle das planvolle Handeln zur Verwirklichung dieser Ziele repräsentiert. Das Bedürfnis nach Orientierung und Kontrolle bezieht sich auf den Wunsch, die Umwelt zu verstehen, einen Sinn im Leben zu finden und einen gewissen Einfluss auf die eigene Lebenssituation auszuüben. Bei unklaren Lebenszielen oder mangelnder Kontrolle können Unsicherheit und Angst entstehen.
Begleitende Emotionen: Sicherheit, Selbstbewusstsein, Zufriedenheit bei erfülltem Bedürfnis nach Orientierung und Kontrolle; Unsicherheit, Angst, Frustration bei unerfülltem Bedürfnis.
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Stell dir dein Selbstwertgefühl als einen Rucksack voller persönlicher Erfolge, Kompetenzen und stolzer Momente vor. Das Bedürfnis nach Selbstwerterhöhung ist wie das gezielte Packen dieses Rucksacks, um das Gewicht der positiven Aspekte zu spüren. Gleichzeitig ist da das Bedürfnis nach Selbstwertschutz, das ist wie eine schützende Hülle um deinen Rucksack, um sicherzustellen, dass deine Erfolge unbeschadet durch das manchmal stürmische Wetter des Lebens kommen. Ein Beispiel könnten Erfolge im Beruf oder persönliche Leistungen sein, die das Bedürfnis nach Selbstwerterhöhung erfüllen. Kritik oder Versagen können hingegen das Bedürfnis nach Selbstwertschutz hervorrufen. Das Bedürfnis nach Selbstwerterhöhung und Selbstwertschutz bezieht sich auf den Wunsch nach Anerkennung der eigenen Fähigkeiten und Erfolge sowie auf Maßnahmen, die das Selbstwertgefühl schützen.
Begleitende Emotionen: Stolz, Selbstbewusstsein, Erfüllung bei erfülltem Bedürfnis nach Selbstwerterhöhung; Scham, Unsicherheit, Verletzlichkeit bei unerfülltem Bedürfnis nach Selbstwertschutz.
Diese Grundbedürfnisse sind nicht isoliert voneinander zu betrachten; sie interagieren und beeinflussen sich gegenseitig, und ihre Erfüllung trägt wesentlich zum mentalen Wohlbefinden eines Menschen bei. Als Beispiel: Ändert sich das Level an Kontrolle in deinem Leben (bspw. durch einen Jobverlust aufgrund schlechter Marktlage), kann dies auch deinen Selbstwert beeinflussen. Beide Bedürfnisse können daher in Wechselwirkung zueinander stehen.
Deine eigenen Bedürfnisse überprüfen und beobachten
Manchmal geraten unsere Grundbedürfnisse im vollen Alltag aus dem Blickfeld. Der Druck von außen, gepaart mit den täglichen Herausforderungen, kann dazu führen, dass wir uns von unseren eigenen Bedürfnissen entfremden. Dadurch kann es immer schwieriger werden einen direkten Zugang zu unseren Bedürfnissen zu spüren und ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, in wie weit diese erfüllt sind.
Du findest hier eine kleine Achtsamkeitsübung, die darauf abzielt, die Grundbedürfnisse bewusst zu erkennen und Wege zu finden, sie zu erfüllen.
Es ist wichtig zu betonen, dass nicht alle Bedürfnisse zu jeder Zeit vollständig befriedigt sein müssen oder können. Das Leben ist dynamisch, und es gibt Zeiten, in denen einige Bedürfnisse im Vordergrund stehen, während andere in den Hintergrund treten. Diese Übung ist dazu da, eine bewusste Selbstreflexion zu fördern und individuelle Wege zu finden, die eigene mentale Gesundheit zu stärken.
Das Modell der vier Grundbedürfnisse von Klaus Grawe kann auf eine praxisnahe Weise als Werkzeug für Selbsttherapie und Selbstreflexion genutzt werden. Folgende Schritte können dir dabei helfen:
1) Identifikation der Grundbedürfnisse:
Reflektiere über deine eigenen Bedürfnisse in den Bereichen Bindung, Orientierung, Lust/Unlustvermeidung und Selbstwert. Überlege, in welchen konkreten Situationen du dich besonders verbunden, orientiert, glücklich oder vielleicht unzufrieden gefühlt hast. Dies können Ereignisse der letzten Woche oder Monate sein. Frage dich selbst:
Lust und Unlustvermeidung:
Welche Aktivitäten bereiten mir Freude und erfüllen mich?
Gibt es Tätigkeiten oder Verpflichtungen, die Unlust auslösen?
Wann habe ich mich das letzte Mal wirklich lebendig gefühlt?
Bindung:
Mit wem fühle ich mich wirklich verbunden und unterstützt?
Welche Beziehungen in meinem Leben bedeuten mir besonders viel?
Bei wem finde ich Trost und Unterstützung in schwierigen Zeiten?
Orientierung und Kontrolle:
Welche Ziele verfolge ich derzeit in meinem Leben?
Habe ich eine klare Vorstellung von meinem Lebensweg?
Fühle ich mich in meinem Alltag orientiert und auf Kurs?
Selbstwerterhöhung und Selbstwertschutz:
Welche persönlichen Erfolge und Stärken erkenne ich an?
Wie gehe ich mit Kritik um und schütze mein Selbstwertgefühl?
In welchen Bereichen möchte ich mein Selbstwertgefühl stärken?
2) Analyse der Bedürfnisbefriedigung: Bewerte die aktuellen Bedingungen, wie gut deine Grundbedürfnisse erfüllt sind. Du kannst beispielsweise jedes Bedürfnis auf einer Skala von 1 bis 10 bewerten (10= das Bedürfnis ist vollkommen befriedigt). Beachte dabei, dass keine Wertung falsch oder richtig ist. Dies dient nur als persönliche Reflexion.
3) Zielsetzung und Handlungsplan: Setze klare Ziele für die Verbesserung der Bedürfnisbefriedigung. Wenn du beispielsweise eine “7” vergeben hast, was müsstet du tun, um die Bedürfnisbefriedigung auf eine “8” zu heben? Formuliere konkrete Schritte, um Bindung zu stärken, Orientierung zu finden, positive Erlebnisse zu fördern und dein Selbstwertgefühl zu schützen. Setze dir kleine, realistische Ziele, um die Bedürfnisbefriedigung zu steigern. Dies könnten einfache Handlungen wie ein Anruf bei einem Freund, das Setzen von klaren Zielen für die kommende Woche, genügend Wasser trinken oder das Einführen von regelmäßigen Selbstpflegeritualen sein. Diese Ziele müssen keine großen Veränderungen beinhalten. Fang erstmal mit Aktivitäten an, die du direkt umsetzen kannst.
4) Selbstbeobachtung und Anpassung: Implementiere diese kleinen Ziele achtsam in deinen Alltag. Beobachte, wie sich deine Bedürfnisbefriedigung und dein Wohlbefinden im Laufe der Zeit verändern. Überwache deine Fortschritte und sei bereit, deine Ziele anzupassen. Achte darauf, wie sich deine Emotionen und deine allgemeine Lebensqualität verändern. Wenn bestimmte Strategien nicht wirken, sei flexibel und finde alternative Wege zur Bedürfnisbefriedigung.
5) Integration in den Alltag: Implementiere bewusst Handlungen und Gewohnheiten, die deine Grundbedürfnisse unterstützen, in deinen täglichen Ablauf. Integriere Aktivitäten, die Freude bereiten, pflege soziale Beziehungen aktiv, setze klare Ziele und erkenne deine persönlichen Erfolge an.
6) Selbstreflexion: Nimm dir regelmäßig Zeit für Selbstreflexion. Frage dich, wie gut du deine Grundbedürfnisse aktuell erfüllst. Welche Bereiche könnten mehr Aufmerksamkeit benötigen? Welche Veränderungen in deinem Leben haben positive Auswirkungen auf deine mentale Gesundheit?
7) Unterstützung suchen: Scheue dich nicht davor, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, wenn du feststellst, dass du Schwierigkeiten dabei hast, deine Grundbedürfnisse zu erkennen und zu erfüllen. Ein Psychotherapeut, Coach oder Berater kann zusätzliche Perspektiven und unterstützende Techniken bieten.
Die Anwendung dieses Modells in der Selbsttherapie erfordert Ehrlichkeit, Selbstakzeptanz und die Bereitschaft zur Veränderung. Die bewusste Auseinandersetzung mit den eigenen Grundbedürfnissen kann dazu beitragen, eine ausgeglichenere und erfüllendere Lebensführung zu entwickeln.
Es ist an der Zeit den Kurs zu ändern!
In meiner Arbeit als Coach & systemische Beraterin unterstütze ich dich gerne dabei neue Strategien zu entwickeln.