Systemisches Denken, um die Wurzel von Stress zu entdecken!
Wir leben in Zeiten des Wandels. Dieser Satz wirkt vertraut und trotzdem ist Veränderung nicht immer einfach zu greifen und bringt mindestens zwei Seiten der Medaille mit sich.
Die eine Seite: Wandel fördert Innovation und Fortschritt. Technologischer Fortschritt und Vernetzung verbessern die Kommunikation. Wir können leichter miteinander in Kontakt treten und Informationen austauschen. Zugang zu Wissen und Bildung wird barrierefreier. Wandel zwingt uns neue Fähigkeiten zu erlernen und die Komfortzonen zu erweitern. Es schafft Raum für Neuanfänge, Ziele zu überdenken und neue Wege einzuschlagen. Globaler Wandel fördert kulturellen Austausch und Vielfalt. Menschen haben Zugang zu verschiedenen Perspektiven, Lebensweisen und Ideen aus verschiedenen Teilen der Welt.
Die andere Seite: Veränderung ist auch mit Ungewissheit verbunden, insbesondere wenn Menschen nicht wissen, was die Zukunft bringen wird oder wenn ihre gewohnte Umgebung destabilisiert wird. Wandel kann soziale Ungleichheiten verstärken, da nicht alle Menschen gleichermaßen von den Veränderungen profitieren und einige Gruppen möglicherweise benachteiligt oder verdrängt werden. Die ständige Zunahme von Informationen und die Schnelligkeit des Wandels können zu Überforderung führen, da Menschen Schwierigkeiten haben, mit dem Tempo der Veränderungen Schritt zu halten.
Für viele zeigen sich diese Dynamiken im Beruf. Dort erleben wir den Wandel hautnah - neue Regulativen, Technologien die am Arbeitsplatz genutzt werden, Internationalisierung von Arbeitswelten, wirtschaftlicher Konkurrenzdruck … in dieser vielfältigen Dynamik ist für die meisten Stress ein allgegenwärtiger Begleiter.
In dieser Komplexität von Einflüssen und Interaktionen kann es helfen eine Systemische Perspektive einzunehmen, um den eigenen Blick zu schärfen und das Blickfeld zu erweitern. Dies hilft um den eigenen Einflussbereich zu erkennen, um Stress zu regulieren und zu managen.
Systemisches Denken
Systemisches Denken eröffnet die Perspektive, Situationen als integrale Bestandteile eines umfassenderen Kontexts zu betrachten. Anstatt isolierte Komponenten zu sehen, richtet der Betrachter den Fokus auf das Gesamtbild, das ganze System. Diese Denkweise erleichtert das Verständnis der Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Elementen und ihrer gegenseitigen Beeinflussung. Durch die Betonung von Zusammenhängen, Abhängigkeiten, Beziehungen und wiederkehrenden Mustern schärft systemisches Denken den Blick auf die komplexen Dynamiken innerhalb eines Systems. Diese Herangehensweise ermöglicht es, die Ursachen und Wirkungen klarer zu erkennen und diese zu deuten. Statt sich ausschließlich auf statische Eigenschaften zu fokussieren, berücksichtigt systemisches Denken auch die Prozesse und Dynamiken, die innerhalb eines Systems stattfinden. Dies fördert eine tiefere Einsicht in die Ursachen von Problemen und trägt dazu bei, Veränderungen im Laufe der Zeit besser zu begreifen.
Das berufliche Umfeld stellt ein bedeutendes System dar, in dem eine Vielzahl von Komponenten eine Rolle spielen. Dazu gehören unter anderem die Menschen: Die eigene Position, das unmittelbare Team, Kolleg*innen, Führungskräfte, Geschäftsführung und mögliche Shareholder. Die Organisationsstruktur definiert die formale Hierarchie, Verantwortlichkeiten und Berichtswege. Sie beeinflusst, wie Informationen und Entscheidungen in der Organisation fließen. Ein weiterer Teil des Systems besteht aus der Unternehmenskultur. Sie repräsentiert gemeinsame Werte, Normen, Überzeugungen und Verhaltensweisen innerhalb der Organisation. Sie prägt das Arbeitsumfeld und beeinflusst, wie Menschen miteinander interagieren
Zusätzlich gehören interne Prozesse, Ziele und Strategien, die Ökonomie und Branche, Technologie und Ressourcen oder auch die Kommunikation in dieses System des “Beruflichen Umfelds”. Diese Elemente sind miteinander verbunden und beeinflussen sich gegenseitig.
So viele Elemente? Das klingt jetzt doch etwas kompliziert!
Du musst nicht jedes Element in einem System in deinem Denken integrieren. Sondern vor allem verstehen, welche Teile für die Situation von Bedeutung sind und ein Bewusstsein entwickeln, wie Wechselwirkungen entstehen können.
Um dein Systemisches Denken zu trainieren, kannst du dir eigene Modelle bauen, je nachdem welche Teile des Systems für dich relevant sind. Sofern du deine Teamstrukturen und Zusammenarbeit reflektieren möchtest, kann ein Organigramm oder auch ein “Kommunikationsnetzwerk” helfen (frage dich: In welchem Bereich gleichen Kommunikationsmuster einem starken Netzwerk? Wo findet regelmäßiger Austausch statt, welche Rollen arbeiten isolierter?). Sofern du nachvollziehen möchtest, wie Entscheidungen beschleunigt werden können, hilft es sich die Entscheidungsträger zu visualisieren und Entscheidungsprozesse aufzumalen (frage dich: Wie wird Verantwortung übernommen? An welchen Stellen werden Entscheidungen letztendlich getroffen?).
Diese Veranschaulichungen dienen dazu deine Realität und Wahrnehmung darzustellen.
Fragen zur Selbstreflexion können sein:
Welche Abteilungen, Teams oder Personen spielen in meinem beruflichen Alltag eine entscheidende Rolle?
Gibt es besondere Beziehungen oder Abhängigkeiten zwischen verschiedenen Personen oder Rollen?
Gibt es Barrieren in der Kommunikation, die den Informationsfluss behindern?
Wie beeinflussen die Teamdynamik und die Interaktionen unter den Teammitgliedern meine Arbeit?
Welche gemeinsamen Ziele und Werte existieren in meinem beruflichen Umfeld?
Welche aktuellen Herausforderungen oder Probleme sind in meinem beruflichen Umfeld präsent?
Wer hat Einfluss darauf Veränderungen in meinem beruflichen Umfeld anzustoßen?
Wie beeinflussen Hierarchien und Entscheidungsprozesse meine Arbeit?
Stressmanagement
Stressmanagement bezieht sich auf die Anwendung von Techniken und Strategien, um den Stress in verschiedenen Lebensbereichen zu erkennen, zu bewältigen und zu reduzieren. Stress ist eine natürliche Reaktion des Körpers auf Herausforderungen oder Bedrohungen.
Der erste Schritt im Stressmanagement ist das Bewusstsein für die eigenen Stressquellen. Dies umfasst die Identifikation von Situationen, Gedanken oder Verhaltensweisen, die Stress auslösen können. Hier kann das Systemische Denken wertvoll sein, um das eigene System in dem man sich bewegt zu verstehen. Ein höheres Bewusstsein beispielsweise über Abhängigkeiten (“Ich kann meine Arbeit nur in Zusammenarbeit mit Person X erfolgreich ausführen”), Kommunikationsmuster (“Die Kommunikation muss von einer bestimmten Stelle/in einer bestimmten Form passieren, da es ansonsten auf taube Ohren stößt”) oder Entscheidungswege (“Entscheidungen werden nur dann genehmigt, wenn Person X dies anbringt”) können dabei helfen die eigenen Stressoren präziser zu benennen.
Fragen zur Selbstreflexion können sein:
Inwiefern trägt die (Nicht-)Qualität meiner zwischenmenschlichen Beziehungen zu meinem Stress bei?
Wie könnten Veränderungen in der Teamstruktur den Stress beeinflussen?
Inwiefern trägt die Unternehmenskultur zur Entstehung von Stress bei? Wie genau?
Welche Ressourcen und Möglichkeiten stehen mir zur Verfügung, um mit beruflichem Stress umzugehen?
Wie beeinflusst die Art und Weise, wie Informationen oder Entscheidungen kommuniziert werden, meinen Stress?
Welche wiederkehrenden Interaktionsmuster sind mir bekannt, die meinen Stress erhöhen?
Diese Fragen sollen dazu dienen, Stress nicht nur als individuelles Phänomen, sondern als Teil eines komplexen Systems zu betrachten. Eine systemische Perspektive ermöglicht es, Wechselwirkungen zu verstehen und gezielte Maßnahmen zur Stressbewältigung auf verschiedenen Ebenen zu ergreifen.
Blitzübung: Systemisches Denken zur Stressbewältigung
Diese kurze Übung dauert ca. 15 Minuten (eine “Blitzübung”) und lädt dazu ein, einen Perspektivwechsel im Kontext von Stress vorzunehmen.
Schritt 1: Identifikation von Stressfaktoren (3 Minuten)
Nimm dir einen Moment Zeit, um die aktuellen Stressfaktoren in deinem beruflichen Umfeld zu identifizieren. Schreibe sie kurz auf, um Klarheit zu schaffen.
Schritt 2: Visualisierung des Stresssystems (4 Minuten)
Stelle dir vor, deine Stressfaktoren sind Teil eines Systems. Zeichne einfache Symbole oder Kreise für jeden Stressfaktor auf ein Blatt Papier ein. Du kannst unterschiedliche Farben verwenden und die Stressfaktoren auf deinem weißen Blatt räumlich positionieren.
Schritt 3: Verbindungen erkennen (2 Minuten)
Zeichne Linien oder Pfeile zwischen den Stressfaktoren, um zu zeigen, wie sie miteinander verbunden sind oder sich beeinflussen könnten. Dies könnte sowohl direkte als auch indirekte Verbindungen umfassen. Du könntest dicke und dünne Linien verwenden. Manche Stressfaktoren stehen eventuell auch als einzelne Faktoren im Raum. Höre auf deinen Impuls.
Schritt 4: Perspektivenwechsel (2 Minuten)
Betrachte das entstandene Systembild und versetze dich in die Lage eines externen Beobachters. Frage dich: Wie würde jemand von außen dieses System betrachten? Welche Muster und Wechselwirkungen fallen auf? Wo würde dieser Beobachter vor allem seinen Blick hinrichten? Und warum?
Schritt 5: Lösungsansätze entwickeln (2 Minuten)
Überlege kurz, welche Veränderungen im System vorgenommen werden könnten, um die Stressbelastung zu reduzieren. Dies könnten Anpassungen in der Verbindung zwischen den Faktoren oder gezielte Maßnahmen zur Stressbewältigung sein. Eventuell kannst auch du dich verändern, um das System zu verändern.
Schritt 6: Reflexion (2 Minuten)
Nimm dir einen Moment, um zu reflektieren, wie sich dein Blick auf die Stressfaktoren durch diesen Perspektivwechsel verändert hat. Notiere kurz, welche Erkenntnisse oder Ideen du gewonnen hast. Wenn du möchtest, kannst du dein Bild mit einer Person in deinem sozialen Umfeld teilen - der/die beste Freund/in, deine Partner/in, oder auch eine vertraute/r Kolleg/in - dein Bild erklären, sowie deine Gedanken dazu. Du könntest die Frage stellen, welche Zusammenhänge die Person wahrnimmt? Wie das System verändert werden könnte, um Stressfaktoren zu reduzieren? Dadurch erhältst du eine weitere Perspektive und vermutlich auch neue Ideen.
Fazit:
In einer Welt, die vom Wandel geprägt ist, wird das systemische Denken zu einer wertvollen Fähigkeit, um komplexe Probleme zu verstehen und effektive Lösungen zu entwickeln. Systemisches Denken bietet eine umfassende Perspektive, um Stress nicht nur als individuelles Phänomen zu betrachten, sondern als Teil eines komplexen Systems. Indem wir Stressfaktoren als miteinander verbundene Elemente betrachten, öffnen wir die Tür zu neuen Erkenntnissen und möglichen Lösungsansätzen. Der Schlüssel liegt oft darin, Verbindungen zu erkennen und gezielte Maßnahmen auf verschiedenen Ebenen zu ergreifen. Dieser systemische Ansatz kann eine effektive Strategie sein, um die Herausforderungen des modernen Lebens mit einem klareren Verständnis und einer resilienten Haltung zu bewältigen.
Gemeinsam der Wurzel des Problems auf den Grund gehen:
In meiner Arbeit als Coach & therapeutische Beraterin unterstütze ich dich gerne dabei neue Strategien zu entwickeln.